Daf Reeh

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Die Parascha in Kürze
  • Segen und Fluch als Konsequenzen des Hütens bzw. Nichthütens der Tora
  • Warnung vor Götzendienst und falschen Propheten
  • Speisegesetze – erlaubte und verbotene Tiere
  • Absonderung des Zehnten, Schmitta-Jahr, Wohltätigkeit
  • Chagim – Pessach, Schawuot und Sukkot

Torah_scroll„Konzept“ der Woche

Unser Wochenabschnitt beginnt mit: „Seht, ich lege vor euch heute Segen und Fluch.“ Das jüdische Volk schließt einen Bund, die Gesetze der Tora zu befolgen. Es gibt klare Alternativen – den Segen für das Halten der Gebote oder den Fluch als Konsequenz für das Verstoßen gegen die Tora. Es gibt keinen Mittelweg. Worin liegt diese extreme Ideologie, die uns als Nation immer wieder präsentiert wird?

Der Talmud erzählt (Ketubot 66b) von Rabbi Jochanan ben Sakkaj, der zu Zeiten der Zerstörung des zweiten Tempels auf seinem Esel aus Jerusalem ritt. Seine Schüler folgten ihm und sie begegneten einer Frau, die im Dung von Tieren, die Arabern gehörten, nach Gerstenkörnern suchte. Als sie den berühmten Rabbi erkannte, wandte sie sich an ihn und bat ihn: „Ernähre mich!“ Rabbi Jochanan fragte sie, wer sie sei und erhielt die Antwort, dass sie die Tochter des Nakdimon ben Gurion sei, der einer der reichsten Juden jener Zeit gewesen war. Er fragte sie, was denn mit dem Vermögen ihres Vaters und ihres Schwiegervaters geschehen sei, denn er hatte selbst ihre Ketuba unterzeichnet, in der allein ihr Vater eine Million Goldstücke und ihr Schwiegervater eine ähnlich hohe Summe für sie festgesetzt hatte. Und es stellte sich heraus, dass er nicht auf die richtige Weise Tzedaka gegeben hatte und so sein gesamtes Vermögen verloren ging. Rabbi Jochanan weinte und sagte: „Wie groß ist unser Volk! Wenn es G“ttes Weg folgt, ist es über alle Völker erhaben und niemand kann über es herrschen. Wenn es aber auf Abwege gerät, kann es tiefer als alle Völker sinken und muss sich um den Tierdreck der niedrigsten Nationen kümmern!“

Wie konnte Rabbi Jochanan beim Anblick dieser Armut über die Größe der Nation sprechen? Der Maharal gibt uns einen unglaublichen Einblick in die Größe des jüdischen Volkes. Wir wissen, dass die Welt aus vier unterschiedlichen Komponenten besteht: dem leblosen Objekt, dem wachsenden Objekt, dem lebendigen Objekt und dem Menschen, der über Sprache und Verstand verfügt. Je höher die Entwicklungsstufe des Objekts ist, desto tiefer kann es fallen. Ein Stein kann nicht absterben, aber eine Pflanze verwelkt. Wenn Tiere sterben, verwesen sie vollkommen und sind viel abstoßender als eine verwelkte Pflanze. Umso mehr ist es bei einem Menschen der Fall, der bei seinem Tod sehr schnell das Licht des Lebens verliert. Wenn man seinen Leichnam liegenlässt, wird auch der Geruch sehr schnell schlimm. Daran erkennt man, dass je größer das Potential des lebenden Objekts ist, sich auch das Absturzpotential beim Ableben erhöht.

Der Kuzari sagt, dass es fünf Komponenten gibt. Es gibt noch etwas Größeres als den Menschen – nämlich das jüdische Volk. Daraus ergibt sich, dass somit auch sein Absturz größer sein muss. Das will uns Rabbi Jochanan sagen: „Sieh, wie groß unsere Nation ist, wenn die Tochter eines wohlhabenden Mannes so tief fallen kann, denn daraus ist ersichtlich, dass unser Volk in seinem „Leben“ auch viel größer ist.“

Für diese Größe gibt es keinen Mittelweg, sondern man muss sich bemühen, auf der obersten Stufe zu bleiben, weil ein Fallen ein unglaublich tiefes Fallen bedeutet. In der jüdischen Geschichte hat es sich immer wieder erwiesen, dass große Menschen sich von der Tora abgewandt haben und zu den größten Gegnern ihres eigenen Volkes geworden sind. Wenn man sich von der Quelle entfernt, sind derartige Resultate keine Überraschung mehr. Wir haben es also mit der Vorgabe, das Gesetz zu halten, nicht mit Extremismus zu tun, sondern wir erreichen durch das Befolgen der Regeln die Nähe zu G“tt.

„Biographie“ der Woche

Rabbi Naftali Zvi Jehuda Berlin – Netziv (Jahrzeit 28. Aw)

Rabbiner Naftali Zvi Jehuda Berlin wurde 1816 in Mir, das damals zum russischen Reich gehörte, geboren. Er tat sich in seiner Kindheit und Jugend nicht durch eine überaus große Begabung, sondern durch enormen Fleiß hervor. Er lernte in der Volozhin Jeschiwa, der ersten und bedeutendsten Jeschiwa jener Zeit, und wurde vom Rosch Jeschiwa Rabbi Itzele Volozhiner als Schwiegersohn ausgesucht. Nach dessen Tod wurde der Netziv – das Akronym seines Namens – im Jahre 1854 zum Rosch Jeschiwa von Volozhin und leitete sie bis zu ihrer Schließung im Jahre 1892. Unter seiner Ägide kam die Volozhin Jeschiwa zur vollen Blüte und produzierte die rabbinische Elite, die Osteuropas Juden über Litauen hinaus bis zum zweiten Weltkrieg führen würde, worunter Rabbi Shimon Shkop, Rabbi Isser Zalman Meltzer und Rav Avraham Yitzchak Kook zu zählen sind. Der Erfolg und große Zulauf der Volozhin Jeschiwa veranlasste Maskilim, die die Säkularisierung der jüdischen Bevölkerung zum Ziel hatten, die russischen Behörden zu Auflagen bzgl. des Curriculums der Jeschiwa zu bewegen. Es sollten nur säkulare Fächer von 9 bis 15 Uhr unterrichtet werden, der nächtliche Unterricht untersagt und die Studierstunden auf zehn Stunden täglich beschränkt werden. Statt sich diesen Restriktionen zu unterwerfen, beschloss der Netziv schweren Herzens, die Jeschiwa 1892 zu schließen.

Der Netziv legte besonderen Wert auf das Studium von NaCh*) und gab jeden Tag nach Schacharit einen Schiur zum Wochenabschnitt. Er unterstützte die jüdische Besiedelung von Eretz Jisrael, wohin er sogar noch kurz vor seinem Tod übersiedeln wollte. Er starb 1893 in Warschau.

Zu seinen Werken gehören „Meishiv Davar“ – eine Sammlung von Responsen, „Ha’Emek Davar“ – ein Chumasch-Kommentar und „Davar Ha’Emek“ – ein Kommentar zu NaCh.

*)„NaCh“ steht für Nevi’im und Ketuvim, die zusammen mit der Tora zur schriftlichen Überlieferung, dem TeNaCh, gehören

Mit freundlicher Unterstützung von HaMakor.de und Rabinner Aron Orzel

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