Paraschat Netzawim: Wahl- Und Willensfreiheit

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tora_david_stern

Ein zentraler Punkt im Judentum ist der der Wahlfreiheit im Leben. Dieses Thema wird in gewisser Laenge in den letzten Versen des Thora-Abschnittes Netzawim behandelt [Dewarim 30: 15-20], wie geschrieben steht: "...Ich habe vor euch gelegt das Leben und das Gute, den Tod und das Boese... Ich habe vor euch gelegt das Leben und den Tod, den Segen und den Fluch.... waehlt das Leben." Doch was genau treibt einen Juden dazu, das Gute dem Boesen vorzuziehen?

Die Wahl eines Juden fuer das Gute, gegen das Boese, fuer das Heilige, gegen das Unheilige, liegt darin begruendet, dass das Innerste der Juedischen Seele eine Einheit mit G"TT bildet [siehe Kewod Malchutecha 5660]. Das Potenzial eines Juden, dabei dennoch frei zu waehlen und volkommen frei nach seinem Willen zu handeln - so wie auch G"TT voellig nach Seinem Willen handelt [siehe Rambam, Hilchot Teschuwah, Anfang von Kapitel 5; Likutei Torah, Paraschat Emor 38b] - liegt ebenfalls in der Tatsache begruendet, dass die Juedische Seele in G"TT verwurzelt ist - "der Mensch sei wie einer von Uns" [siehe Bereschit 3:22].

Und obwohl das Innerste der Juedischen Seele nichts anderes will, als den G"ttlichen Willen zu erfuellen, ist die Seele dennoch in die physische Welt hinabgestiegen und in einen physischen Koerper gekleidet, was es ihr ermoeglicht, letztlich auch etwas anderes als Heiligkeit und Gutes zu waehlen [siehe Likutei Thora, Paraschat Emor 38b]. Und selbst wenn sich die Seele noch in ihrem urspruenglichen Zustand befindet, hat das Prinzip der Wahlfreiheit Gueltigkeit, in dem Sinne, als dass es in diesem Zustand noch keinen bestimmten Vorteil beziehungsweise keine bestimmte Belohnung dafuer gibt, die richtige Wahl getroffen zu haben; die Seele trifft ihre Wahl voellig frei, weil ihr Innerstes Eins mit IHM ist.

Wenn eine Wahl auf (menschlicher) Vernunft beruht, ist sie durch die Vernunft selbst begrenzt. Da die menschliche Vernunft von sich aus begrenzt ist, ist eine auf menschliche Vernunft basierende freie Wahl ebenfalls begrenzt. Wenn daher die Seele G"ttlichkeit waehlt aus Gruenden, die ueberhalb der (menschlichen) Vernunft liegen, ist das Potenzial dieser Wahl grenzenlos.

Mehr noch, man koennte argumentieren, dass eine Wahl aus logischen Motiven alles andere als frei ist, da fuer einen Menschen seine eigene Logik mehr inneren Zwang auf ihn ausuebt als selbst rohe Gewalt [Siehe Likutei Sichot, Band 4, S. 1309]. Jedenfalls, wenn die Essenz einer Seele sich fuer G"TT entscheidet, tut sie dies aufgrund ihrer ureigensten Natur, und sie laesst dabei nichts anderes als G"ttlichkeit und Gutes bestehen [Siehe Likutei Sichot, Band 4, 1341]. Obgleich im Innersten seiner Seele verwurzelt, offenbart sich die Wahlfreiheit eines Juden auf bewusster Ebene in seinem Intellekt [Siehe u.a.: Likutei Thora, Netzawim 46c; Likutei Sichot, Band 6]. Denn nur, wenn ein Jude tatsaechlich die beiden Wege des Guten und des Boesen vor sich hat und das Gute waehlt, wird offenbar, dass er sich wirklich freiheitlich fuer das Gute und fuer G"ttlichkeit sowie gegen das Boese und gegen Unheiligkeit entschieden hat. Doch alleine der Intellekt hat dabei die Moeglichkeit, die Vorzuege beider Wege zu ergruenden und zu erkennen.

Dementsprechend laesst sich auch der Zusammenhang zwischen der Wahlfreiheit und unserer Parascha erkennen: Netzawim wird stets vor Rosch Haschanah gelesen - in der Zeit, in welcher wir uns darum bemuehen, in G"TT erneut den Wunsch zu wecken, das Juedische Volk als das Seine zu waehlen. Dies findet seinen Ausdruck unter anderem in dem Vers, der vor dem Blasen des Schofar an Rosch Haschanah rezitiert wird: "Er erwaehlt unser Erbe fuer uns, die Herrlichkeit Jakobs, den er ewig liebt" [Tehilim 47:5].  Auch hier gibt es zwei Aspekte fuer G"TTES Entscheidung. Die Grundlage fuer G"TTES Wahl liegt ebenfalls nicht in Vernunft (im menschichen Sinne) begruendet. So eindringlich und aussagekraeftig ist diese Wahl, dass G"TT selbst sagt: "Ich kann sie unmoeglich gegen ein anderes Volk eintauschen" [siehe Einfuehrung zu Ruth Rabbah; Traktat Pessachim 87a], denn es gibt "alleine nur Israel und den Koenig" [Siehe Sohar, Band 3, 32a]. Indes wird die Wahl G"TTES in dieser Welt offenbart, indem wir sehen, wie "das Juedische Vok G"TTES Schatz aus der Mitte aller Voelker geworden ist" [Schemot 19:5] - andere Nationen existieren neben dem Juedischen Volk, und dennoch erwaehlt er uns und offenbart seine Liebe zu uns allen Voelkern [Siehe Raschi zu Schemot 19:5; ebenso Tanja Kapitel 49].

Rosch Haschanah ist der Tag, an dem alles auf seinen urspruenglichen Status zurueckkehrt [siehe u.a.: Pri Etz Chayim, Scha'ar Rosch Haschanah, Kapitel 1; Likutei Torah, Netzavim 51b], und daher erwaehlt uns G"TT auch an diesem Tag von neuem. Wenn wir uns fuer G"TT entscheiden, nicht nur aus Logik, sondern aus dem Innersten unserer Seele, dann wird auch umgekehrt G"TT sich erneut uns zuwenden und seine Wahl auf uns, als sein geschaetztes Volk, treffen und diese Wahl mit Segen erfuellen.

Schabbat Schalom und Schanah Tova!

* Basierend auf Likutei Sichot Vol. 19.

 
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