Paraschat Re'eh

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Die Parascha in Kürze - Erklärungen von Geboten und Verboten in dieser Parascha:
  • Die Gesetze zu halten; beim Übertreten wird eine Strafe kommen
  • Opfer nur im Tempel (bzw. Mischkan) darzubringen
  • Kein Blut zu genießen; beim Schlachten soll das Blut mit Sand bedeckt werden
  • Keinem falschen ProphetenEine Stadt, die als Gesamtes zum Götzendienst gekommen ist, zu bekriegen und alles in ihr zu verbrennen
  • Keine übertriebene (nichtjüdische) Trauer für Verstorbene
  • Erlaubte und verbotene Tiere im Sinne der Speisegesetze
  • Almosen an Arme und Leviim zu geben
  • Das siebte Jahr ist das „Schmitta“- Jahr

„Dwar“ der Woche

Die Suche nach „Simcha“ (Freude, als beste Übersetzung).

Das wiederkehrende Thema unseres Wochenabschnitts ist das Gebot der „Simcha“: „Erfreut euch vor Haschem, euerem G“tt“ (16:11), „und erfreue dich bei deinem Fest“ (16:14) heißt es in unserer Parascha Re’eh. Daraus wird klar, dass Freude eng mit dem Tempel und der Opfergabe in Jeruscha laim verbunden ist. Sicherlich wird man fragen, wie Pflicht und Dienst etwas mit Simcha zu tun haben können.

Raw Hirschfeld, Rosch Jeschiwa von Darche No am, bietet zwei Erklärungen für den Begriff „Simcha“ an: Zu nächst ist Simcha das Gefühl zu wissen, das Richtige zum richtigen Zeitpunkt zu tun. Zweitens ist Simcha die Empfindung, dass die Freude des Geistes nicht auf Kos ten des Körpers und die Freude des Körpers nicht auf Kosten des Geistes geht. Im Talmud heißt es: „Es gibt keine größere Simcha als beim (Friedens-) Opfers.“ Zu diesem Zeitpunkt wissen der Körper und die Seele, dass sie genau das tun, was sie tun sollen. Natürlich ist das Leben nicht nur das Essen der Opfer im Tempel. Doch diese Erfahrungen sollen uns lehren und leiten in unserer Aufgabe auf der Suche nach Simcha.

 

„Maisse“ der Woche

Zadok der Rabbi Lublin, der sich viele Jahre dem Studium widmete und der nicht nur ein großer Religionswissenschaftler war, sondern auch einer der weisesten Menschen jener Zeit, sagte einmal zu seinen Schülern:

„In dieser Welt ist kein einziger Winkel übrig geblieben, der nicht zum Gegenstand der genauesten Aufmerksamkeit der besten Köpfe der Menschheit geworden ist: die Berge und die Ebenen, das Meer und die Flüsse, die Wüsten und der ewige Schnee – das alles ist beschrieben und auf der Karte verzeichnet worden. Die Tiefen der Materie und des Kosmos sieht der Mensch an. Und nur in die eigene Seele fürchtet er hineinzuschauen.

„Konzept“ der Woche

In unserer Parascha lesen wir in Vers 15:8: „Vielmehr öffnen, öffnen sollst du ihm die Hand.“ Das zweifach ausgedrückte Öffnen bedeutet auch zweierlei, denn der erste Ausdruck enthält die Aufforderung, dem Armen zu geben, während der zweite Ausdruck uns sagt, dass man auf eine schöne Art geben soll. Der Arme soll nicht nur durch Geld unterstützt werden, sondern er soll das Gefühl haben, dass man ihm gern gibt.

Im Talmud werden für die erste Art des Gebens sechs Brachot versprochen, aber für die zweite Art sogar elf Brachot! Rabbiner Yissocher Frand erzählt von zwei Brüdern, die einmal in Wilna gelebt haben. Ihre Grabsteine standen nebeneinander und seltsamerweise stand auf ihnen jeweils ein Zitat aus Mischlej (Sprüche) 31:20: „ihre Hand (kappa) öffnet sie dem Armen“ und „ihre Hände (jadeha) streckt sie dem Bedürftigen entgegen.“ Normalerweise sind diese Sätze aus Eschet Chajil, dem Lied der tüchtigen Frau, das wir jeden Freitagabend vor dem Kiddusch singen, nur auf Grabsteinen von Frauen zu finden. Außerdem ist es äußerst ungewöhnlich, dass sich zwei Grabsteine eine Inschrift teilen. Es stellte sich heraus, dass diese beiden Brüder nicht nur sehr fromme jüdische Gelehrte gewesen waren, sondern auch außerordentliche Philanthropen. Sie waren sehr reich und angesehen in Wilna, aber eines Tages gerieten sie in finanzielle Schwierigkeiten. Wie konnte so etwas solch herausragenden Männern passieren?

Der Beit Din von Wilna wurde einberufen und untersuchte, was geschehen war. Stundenlang wurden die beiden Brüder befragt, bis sich herausstellte, dass es ihr einziges Vergehengewesen war, gegen die Halacha, die im Talmud in Ketubot 50a aufgeführt ist, regelmäßig verstoßen zu haben. Dort steht, dass ein Mensch nicht mehr als ein Fünftel seines Vermögens wohltätigen Zwecken zuführen soll. Die Brüder hatten aber ständig mehr als das abgegeben! Der Beit Din beschloß, einen Vermögensverwalter einzusetzen, an den sich von nun an arme Leute wenden sollten, weil man nicht glaubte, dass sich die Brüder an die gesetzten Grenzen halten würden. Wenn also einarmer Mensch zur Tür der Brüder kam, wurden sie von ihnen an den Verwalter verwiesen. Aber die armen Menschen erwiderten, dass sie dort schon gewesen seien und der Verwalter längst nicht so großzügig gewesen sei wie die Brüder selbst. So sei es unmöglich ihre Familien zu ernähren!

Die Brüder wollten gerne helfen, aber da sie nicht mehr über ihr Geldverfügen konnten, gaben sie den Armen ihr Familiensilber. Nach und nachging auch dies zur Neige und schließlich blieb ihnen noch ein einziger Silberlöffel. Als der nächste Bettler zu ihnen kam, brachen sie den Löffel entzwei und ein Bruder gab dem Bettler den Löffel, während der zweite Bruder ihm den Löffelstiel gab. Dieser wundervolle Ausdruck des wohltätigen Gebens fand sich auf den Grabsteinen wieder. Es handelt sich im Hebräischen um ein Wortspiel, denn der Vers beginnt mit „ihre Hand (kappa) öffnet sie dem Armen“ –kappa bedeutet auch „ihr Löffel“ – was auf dem ersten Grabstein stand. Das Versende „ihre Hände (jadeha) streckt sie dem Bedürftigen entgegen“ enthält das Wort jadeha, was auch „ihr Stiel“ heißen kann, und stand auf dem zweiten Grabstein. Dies ist ein Beispiel des Gebens auf höchster Stufe.

Mit freundlicher Unterstützung von HaMakor.de und Rabinner Aron Orzel